Samstag, 14. Mai 2016

"Mad Dogs (US)": Vier Freunde auf Selbstzerstörungstrip | Staffel: 1

US / 2015-2016 / FSK: 18 / 10 Episoden á 55 Minuten / Genre: Comedy, Krimi, Drama / Bildrechte bei: Amazon

Amazon Prime kanns wie Netflix und produziert was Großes. Das Komödiencrimedrama „Mad Dogs“ von „The Shield“-Schöpfer Shawn Ryan überzeugt vor allem mit einem: Seiner Skurrilität.

Es gibt Urlaube, die man einfach abbrechen möchte. Sie sind selten, doch sie existieren. Sie beginnen damit, dass die Dame an der Rezeption im All-Inclusive-Hotel mitteilt, dass trotz der Buchung kein Platz mehr ist. Es geht weiter mit Animateuren die einen ständig animieren möchten und hört mit den eigenen Kindern auf, die man sich nun mal selbst zu verdanken hat. Doch wenn du denkst, dass das schlimm ist, warst du mit den „Mad Dogs“ noch nicht in Zentralamerika.

„Have you enjoyed Belize?“ Wird Cobi (Steve Zahn, „Dallas Buyers Club“) im Finale der Staffel gefragt. „Sure…uh, well, a bit mixed to be honest.“ Eine sehr bescheidene Antwort, für die wohl verrückteste Reise seines Lebens. In beinahe harmonischen Szenen wird der Trubel der letzten Folgen vergessen und entlässt den Zuschauer dennoch mit einem Knall, auf dessen Hall man wohl vergebens warten wird. Denn „Mad Dogs“ wurde direkt wieder eingestampft. Sollte man sagen leider?

Dass diese Reise so abstrus wird, wie man es am Ende dann erst mal zu verdauen hat, hätte man nach den ersten Minuten im Geschehen nicht unbedingt gedacht. Zwar setzt eine Serie, die bereits in der ersten Folge einen kleinwüchsigen Killer, mit einer beängstigenden Katzenmaske einführt, gewisse Maßstäbe, doch hat man damit gerade einmal die Spitze des Eisberges namens „Mad Dog“ gesehen. Die vier Freunde Lex (Michael Imperioli, „Die Sopranos“), Gus (Romany Malco, „Weeds“), Joel (Ben Chaplin, „Der schmale Grat“) und Cobi, die eigentlich nur ihren alten Freund Milo (Billy Zane) in seiner Prachtvilla in Belize besuchen wollten, um alte Collegetage wieder aufleben zu lassen, erleiden nämlich so einiges Richtung ‚schlimmster Urlaub überhaupt‘. Im Laufe der 10 ca. einstündigen Folgen rennen die Jungs irrsinnigen Drogenhändlern, korrupten Polizisten, amerikanischen Agenten und einer Menge anderer Problemen über den Weg, denen sie dank ihrem Talent für schlechte Entscheidungen nie unbeschadet entfliehen können. Kennst du diese Szenen, in denen du den Charakteren zuschreien möchtest, was sie gefälligst logischerweise zu tun haben? Hier gibt es einige davon. Dazu vergeht beinahe kein Moment, ohne gegenseitigem Vorhalten von missglückten Lebensereignissen, die bereits ewig weit in der Vergangenheit liegen. Diese werden vor allem gerne dann eingebaut, wenn es besonders brenzlig wird. Es passieren Psychoanalysen zwischen Kugelgewittern, die mit anfänglicher Skepsis gleichwohl in Charme um münden. Denn eines muss man sagen: es wird nie anstrengend, es macht nie wütend. Das liegt an der überwältigenden Chemie die innerhalb der Gruppe herrscht. Sie spielen ihre Rollen mit so viel Überzeugung und Können, dass man sie selbst in zweifelhaften Szenen niemals in Frage stellen möchte. In Kombination mit grandiosen Gastauftritten von unter anderem Onahoua Rodriguez („The Shield“), Allison Tolman („Fargo“) oder auch Coby Bell („The Game“) ergibt das ein Gesamtpaket, dass man nur schlecht nicht mögen kann.


Wichtig dafür ist die Echtheit, die man von jedem von ihnen spürt. Nie kommt es zu einer aufgeblasenen Zeichnung von einem Klischee-Gangster oder Problemen die absolut an den Haaren herbeigezogen wirken. Nie wurden die Handlungsorte Belize und Umgebung (Guatemala, Mexiko) in einem Extrem als Urlaubsparadies oder Drogenhauptquartier verkauft. Hier spielt sich eine Geschichte von durchschnittlichen Mitte-vierzig-Männern ab, die zwischen tollen Stränden, verstörendem Dschungel und einer komplett anderen Gesellschaft umzingelt sind und dessen Aufgabe es ist, sich da irgendwie heraus zu navigieren.

Die Produzenten Shawn Ryan und Cris Cole (bereits an der britischen Fassung von „Mad Dogs“ beteiligt) vermitteln damit ein einzigartiges Erlebnis. Es herrscht eine gewisse Grundatmosphäre, die Ryan schon bei seiner meisterhaften Erfolgsserie „The Shield“ hat einfließen lassen. Dazu kommen kleine Humorbrocken, die immer wohl dosiert wirken und das Drama der Lage nie herunter brechen. Ich muss zugeben – am Anfang ist es schwer, mit dem Konzept dieser Serie klar zu kommen. „Mad Dogs“ ist anders. Doch von diesem ‚anders‘ möchte man schnell mehr. Man möchte den Chaoten weiter dabei zu schauen, wie sie auf unglaubliche Weisen scheitern und ihre fragwürdige Freundschaft auf die Probe stellen. Und das immer wieder. Sicher dürfte, wenn es nach mir geht, mehr davon kommen. Doch das Ende war in seiner abgeschliffenen Detailarbeit absolut befriedigend, so dass eine zweite Staffel aufgrund des offenen Finales zwar kommen könnte, aber nicht dringend muss. Der Pilot war einnehmend, die letzten Sekunden erstaunlich.

Guten Urlaub zu machen ist nicht immer schwer. Manchmal reicht eine Serie wie „Mad Dogs“, mit der man, dank ihrem Binge-Watch-Potenzial, für ein paar Stunden komplett woanders ist und den Alltag auf eine eigenartige Weise vergessen lässt. Einen Alltag, den die „Mad Dogs“ sich, während sie in ihrem Abenteuer feststecken, schnell wieder sehnlichst herbei wünschen. 
8.5/10

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