Samstag, 12. Oktober 2013

Audreys Gedanken zu... Gut und Schlecht



Wir alle bewerten unsere gesehenen Filme irgendwie. Sei es mit dem einfachsten, ein schlichtes „gut“ oder „schlecht“ oder mit Notensystemen oder ausgefeilteren Steigerungen von Adjektiven. Selbst, wenn wir es nirgendwo sortieren, aufzeichnen etc. wissen wir doch nach jedem Film zumindest innerlich, wie wir ihn fanden, was uns gefallen hat und was nicht.
Manchmal schaut man aber einen Film, bei dem man danach noch nicht mal sagen kann, ob man ihn jetzt gut oder schlecht fand. Ratlos sitzt man dann da und alles, was irgendwie gut war, war auch schlecht und andersrum genauso.
Es gibt Filme, die unsere Wertvorstellungen, unsere Moral, unsere Ethik, unsere Konventionen so gewaltig brechen, dass wir einfach nicht wissen, ob wir das jetzt gut finden oder schlecht und vor allem, was wäre wenn wir den Film gut oder schlecht finden würden und auch, was das über uns aussagen würde.
Letztens sah ich Possession und er war einer dieser unbewertbaren Filme, was man schon alleine daran erahnen kann, dass er zu der einzigartigen Love-it-or-hate-it-Filmsorte gehört.
Warum hat der Film mein Gemüt nur so in zwei gespalten? Nicht nur, dass der Film zu besagter Sorte gehörte, er gehörte auch zu der Sorte Film, die ich versuche nur einmal im Jahr zu sehen, quasi als kleines Kontraprogramm, weil ich weiß, dass sie mich eben in jene Verwirrung stürzen wird. Normalerweise geh ich ruhig an diese Filme ran, versuche mich darüber zu informieren, was mich erwartet und sehe zu, dass ich auch danach meine Ruhe habe, um mich mit dem Gesehenen auseinanderzusetzen. Manche mögen jetzt die Stirn runzeln, was denn jetzt so schlimm sein soll, dass ich den ganzen Aufwand mache, aber ich konsumiere Filme nicht nur, ich will mich auch mit ihnen befassen. Ich will sie nicht unbedingt auseinanderpflücken, wie man das ja so gerne mit den unschuldigen Gedichten in der Schule tut, aber ich will sie verstehen, will mich von ihnen inspirieren lassen und auch etwas über mich und die Welt lernen. So zumindest die Idealvorstellung.
Bei dieser Sorte Film, zu der Possession gehört, ist die vorerst einzige Frage, die ich mir danach stelle, ob ich nicht ein bisschen durchgeknallt bin, so etwas bis zum Ende zu schauen. Und weil ich dieses Fragegefühl nicht allzu gerne habe, versuche ich mir halt nur einen Film dieser Sorte pro Jahr zu gönnen. Das habe ich letztes Jahr angefangen, also ist es noch gar nicht so lange her. Letztes Jahr war es Seul contre tous und dieses Jahr Antichrist. Also sollte es für dieses Jahr gedeckt sein, wenn nicht durch Zufall Possession im Fernsehen gelaufen sei und ich mir gedacht hätte „den musst du aufnehmen“. Und dann war es auch schon Dienstag und ich war mal wieder in einem dieser verzweifelten, dunklen Seelenlöchern gelandet, in die man halt landet, wenn man zu lange von Idioten umgeben war und man zudem auch noch Pech am laufenden Band hatte und sich nur wünscht, das Leben vorspulen zu können, bis es wieder gut wird. Nun ja, da ich dann auch am Abend Sturm hatte und dringend etwas filmischen Horror brauchte, entschloss ich mich diesen Film zu schauen.


Während dem Schauen wurden alle Dinge erfüllt, die normalerweise Anlass sind, den Film extrem gut zu finden: ich konnte keine Sekunde, die Augen abwenden, schaute niemals auf die Uhr und fragte mich auch niemals im Stillen, wann und wie es wohl enden würde. Doch als es zu Ende war und ich mit klopfenden Herzen und aufbrodelnder Übelkeit den Abspann gesehen hatte, wusste ich absolut nicht, ob ich es gut oder schlecht fand. Oder viel besser formuliert: Darf ich das gut finden? Darf ich das schlecht finden? Und vor allem, was sagt das über mich aus? Wenn ich das gut finde, bin ich dann krank und pervers? Wenn ich das schlecht finde, bin ich dann engstirnig und verklemmt?
Eins war klar, es kann kein Mittelmaß geben. Das wäre feige und selbstbelügend gewesen. Denn ich empfand ja etwas überdurchschnittliches, nur wusste ich nicht, ob es positiv oder negativ war. Diese Gedanken zogen auch weitere, tiefgründigere nach sich.
Wenn ich das jetzt gut finde, wie begründe ich das? Wenn ich das schlecht finde, wie begründe ich das? Was sagen eben jene Begründungen über mich aus?
Und so zog ich mich von Metaebene zu Metaebene höher auf dem Weg der kompletten Selbstverwirrung. Ich beschloss erst einmal drüber zu schlafen und legte meine kompletten Hoffnungen in die Regeneration meiner Gedanken mithilfe des Schlafes.
Diese wurden aber nur teils erfüllt, denn am Nächsten Morgen wusste ich nur eins: es spielt keine Rolle, ob ich krank im Hirn bin, wenn ich das jetzt gut oder auch schlecht finde, denn daran kann ich ja dann eh nichts ändern, aber vielleicht sogar erkennen.
Den ganzen restlichen Tag  dachte ich weiter nach, achtete aber darauf mich nicht wieder in den moralischen Stricken zu verfangen und beschloss schließlich nur die künstlerische Seite des Filmes zu bewerten, die ja sehr gut gewesen war.
Denn es gibt einfach Filme jenseits von Gut und Schlecht, die sich in kein Wertsystem eintragen und die sich auch keine ethischen oder moralischen Bändchen um den Hals hängen lassen.


2 Kommentare:

  1. Hm, das Ende führt ein bisschen zu dem, wie es meiner Meinung nach wirklich ist. Denn ich finde, das ist eigentlich ganz simpel: man kann doch eigentlich jeden Film gut finden, es ist ja schließlich ein FILM. Das passiert als nicht wirklich.
    Gleiche Diskussion eigentlich viel bei den viel diskutierten "Killerspielen": ist man schlecht, weil man SELBST andere (virtuelle) Personen erschießt? Nein, NATÜRLICH nicht. Warum sollte man es dann sein, wenn man etwas anschaut, in dem etwas Vergleichbares passiert?

    Film ist eben Film, man kann das gut finden, wenn man möchte, da spricht mMn nichts dagegen.

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  2. Es sagt aber doch schon irgendwo etwas über jemanden aus. Wenn man sich bei Horrorfilmen leicht erschreckt, heisst das doch irgendwie, dass man schreckhaft ist. Wenn man bei einer bestimmten Art Humor lacht, sagt das auch etwas aus. Und bei Filmen wie "Possession" können die Reaktionen ja noch unterschiedlicher sein: man kann es toll finden, ekelhaft, es kann einem gleichgültig sein, vielleicht fühlt man Spannung, Wut oder Traurigkeit und ich finde, da darf man sich selber schon die Frage stellen, welche Reaktion was über einen aussagt, auch wenn keine Antwort gefunden werden muss - und schon gar keine allgemeingütige ;)

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